Besucherzentrum Mosterei Möhl, Arbon, Schweiz

VOM MUSEUM ZUM BESUCHERZENTRUM
Die anfängliche Aufgabe war es, ein kleines, feines Museum für eine bestehende Sammlung von histo-rischen Maschinen zur Obstverarbeitung zu planen.
Daraus entwickelte die auf 3D-Kommunikation spezialisierte Szenographie Firma Aroma im Laufe des Projektes das interaktive Besucherzentrum MOMÖ mit dem Ziel, ein touristisches Highlight der Bodensee-Region zu werden.

Neben technischen Aspekten der Saftgewinnung, wird auch der Wildbiene und den Menschen die hinter der ganzen Herstellungskette stehen der nötige Platz eingeräumt.
Es wurde ein museumspädagogisches Konzept entwickelt, welches Jung bis Alt die Obstverarbeitung zu Saft erleben lässt. Bis hin zum selber machen.

Durch diese Projektentwicklung wurde das Lichtgestaltungsteam um Adi Aicher von Sektor4 erweitert. Ein wesentlicher Teil der Ausstellungsszenerie lag bei Sektor 4 (Szenische Lichtgestaltung) in enger Zusammenarbeit mit vogtpartner (Architektonische Lichtgestaltung).

DER RAUM
Der Neubau basiert auf einem Entwurf der Architekten Harder & Spreyermann aus Zürich. Er befindet sich am Rande des Produktionsgeländes der Fa. Möhl in Arbon.

Die Architektur zeigt eine zeitgenössische Interpretation einer einfachen und funktionalen Scheune, wie sie in der Umgebung häufig zu finden ist.
In erster Linie als Lagerraum genutzt, wurde das Tageslicht nach Möglichkeit ausgeschlossen respektive auf ein Minimum reduziert.
Entsprechend wurden im Neubau wenige Fenster gesetzt und diese an szenisch wichtigen Orten als selbstverständlicher Bestandteil in die Architektur integriert.
Im Wesentlichen wurde ein hoher Raum mit einer komplex gefalteten Decke geschaffen, welcher durch einen nutzbaren Galerieboden unterteilt und mit einem enormen Fasskeller ergänzt wird.

LICHTSPRACHE
Zusammen mit der Familie Möhl und der für die Realisierung verantwortlichen Architektin Nicole Gamisch aus Zürich wurde eine Lichtsprache entwickelt, welche die Eigenständigkeit der Architektur unterstreicht und die Erlebnisqualität des Museums steigert. Gleichzeitig sollte alles als ein Ganzes erlebbar sein.
Das bekannte Gefühl von geheimnisvoller, tiefer Dunkelheit in einer Scheune ist Basis der gesamten Lichtsprache. Sie ermöglicht die subtile Führung der Besucher. Entsprechend „aufflammende“ Lichterlebnisse verstärken das Entdecker Gefühl und sorgen für Lebendigkeit der jeweiligen Exponate und Themen.
Unterstützt wird die beschriebene „Scheunen“ Wirkung durch die Verwendung dunkler Holzwände und -decken.
Ansonsten wird fein ausgearbeiteter Sichtbeton als Boden und bei den Erschliessungswänden eingesetzt
Da die Nutzung verschiedenste Veranstaltungen wie Degustationen, Konzerte und Weiterbildungen vorsieht, wurde eine hohe Flexibilität gefordert.
Die Wahl der Grundbeleuchtungstechnik fiel auf Decken-integrierte Stromschienen. Um die Decke im Dunkeln zu lassen, werden die Leuchten sehr zurückgespielt, d.h. ein eigenes Aufleuchten der Strahler wird mit sorgfältiger Entblendung verhindert.

Dieser Dualismus wurde mit einem Farbtemperaturkontrast zusätzlich verstärkt. Die Architektur, vorwiegend Strukturen aus Beton, wird einer neutralen Farbtemperatur (4000K) beleuchtet. Die Exponate, meist aus Kupfer und Holz, werden mit warmen Licht (2700K) aus der Dunkelheit herausgehoben. Damit wurden die Materialien stärker heraus gearbeitet und gleichzeitig der Epochen-Kontrast betont.
Überschneidungen sind gewollt und der Schwerpunkt mit erhöhter Lichtmenge liegt beim Museumslicht. Die Stärke des Architekturlichtes ist begründet durch seine Selbstverständlichkeit, welche sich an Integration, Raumraster und Bauelementbetonung ablesen lässt.
Die Beleuchtung sorgt für Orientierung, Sicherheit und unterstützt die Laufrichtung durch die Exponate. Durch ein expressiv anmutendes Treppenhaus gelangen die Besucher zu dem grossen Fasskeller im UG, welcher normalerweise von den Besuchern lediglich überschaut werden kann, da er gleichzeitig industriell genutzt wird. In diesem mit Licht inszenierten Arbeitsbereich stehen mit Most gefüllte 20.000 Liter Holzfässer und es herrscht für den Reifeprozess eine konstante, entsprechend gekühlte Raumtemperatur.
Ein Besucherbalkon erlaubt trotz Schutzverglasung einen blendfreien Blick auf die beeindruckenden, riesigen Eichen-Holzfässer. Da hier auch Führungen und Verkostungen stattfinden, sorgt eine Zonensteuerung für angenehmes Funktionslicht bei gleichzeitigem Szenenhintergrund.

TURM
Der «Mostturm» stellt den historischen Saftgewinnungsprozess interaktiv dar. Am Fusse des Turms erhält der Besucher die Aufgabe aus Äpfeln Most zu fabrizieren und diesen in Flaschen abzufüllen.
Dazu muss mittels verschiedener, zur Auswahl stehender Gerätschaften erst der Apfel gemahlen bzw. verkleinert, das Ergebnis dann gepresst und gefiltert werden, um am Schluss den wertvollen Saft in Flaschen füllen zu können. Um den Prozess in Gang zu bringen kann der Besucher auf dem Spieltisch (interaktiv, von oben auf Holzoberfläche projiziert) die auf schwarzen Würfeln abgebildeten Maschinen, in der richtigen Reihenfolge an die richtige Stelle platzieren. Wird ein Würfel gerückt, erwacht der Turm aus seinem Dämmerzustand, in diesem die Exponate nur schemenhaft, schwach im Gegenlicht erkennbar sind. Das gewählte Gerät wird im Turm nun hervorgehoben und erhält durch die Frontbeleuchtung Dreidimensionalität und Materialität. Dem Besucher werden so schematisch der Most-Prozess und gleichzeitig die zugehörigen historischen Artefakte vermittelt.

FÜHRUNG
Zu Beginn und am Ende des MOMÖ sorgen eine Bar und ein „Saftladen“ für das unerlässliche Erleben und Mitnehmen der Vielzahl von Produkten rund um den Apfel. Dieser Bereich wird mit einer für den Ort entworfenen Kronleuchterstruktur mit Dorffest-Charakter mit unzähligen, warmen Lichtpunkten überspannt.
Der Kronleuchter als ein klassisches Element hat neben dem funktionalen Aspekt den Raum zu erhellen auch eine zentrale, gestalterische bzw. dekorative Aufgabe: Er ist Schmuck und Eye Catcher gleichermassen und verleiht dem Raum Identität. Er wurde eigens für dieses Projekt entwickelt.
Abends, nach Ende des Museumsbetriebs, werden in der Eingangshalle kleine Abendveranstaltungen mit Livemusik und einer Bar betrieben. Dazu suchten die Szenographen nach Bildern für abendliche Marktstimmungen. Der von Sektor4 entwickelte, 18 Meter lange Leuchter erinnert daher an Lichtergirlanden, die an Nachtmärkten über die Verkaufstrassen gespannt werden.

AUSSENRAUM
Der Vorplatz wird von hohen Masten mit gezielt gerichteten Strahlern unterschiedlicher Optiken mit wenigen Lichtinseln bespielt. Gleichzeitig wird ein zentral gepflanzter Apfelbaum als Herzstück des MOMÖ bewusst inszeniert und der Lauf der Natur so auch in Abendstunden sichtbar gemacht.
Die metallisch glänzende Fassade wird blau schimmernd sichtbar durch das aus den Lichtschächten im Boden dringende Licht, welches auf den stets gekühlten, riesigen Fasskeller verweist.
Angrenzend an das MOMÖ wurde ein Erlebnis-Garten angelegt, in dem zugehörige Themen wie Ökologie, Bienen und Obstbau sichtbar werden. Der gastronomische Aussenbereich lädt in den Abendstunden zu geselligen Veranstaltungen, welche sich zwischen Schulveranstaltungen und Whiskey-Tasting bewegen. Spielerisch angeordnete Lichterketten nehmen das Thema der Gartenparty auf und laden zum Verweilen ein.

PLANUNG
2013 - 2018

REALISIERUNG
2019

BKP LEUCHTEN UND LAMPEN
CHF 250'000

AUSZEICHNUNG
ICONIC AWARD 2019 „innovative architecture“
2019 LIT Lighting Design Awards – Honorable Mention
2020 IES Illumination Award of Merit

BAUHERRSCHAFT
Mosterei Möhl
9320 Arbon

ARCHITEKT ENTWURF
Harder Spreyermann Architekten
8004 Zürich

ARCHITEKT REALISIERUNG
Gamisch Architekten
8037 Zürich

AUSSTELLUNG
Aroma
8050 Zürich

ELEKTROPLANER
Kurt Baldinger
9215 Schönenberg

SZENISCHE LICHTGESTALTUNG
Sektor4
8049 Zürich

ARCHITEKTONISCHE LICHTGESTALTUNG
vogtpartner
8400 Winterthur

PROJEKTTEAM VP
Matthias Wilcken-Frey
Christian Vogt
Vincent Chevreux

FOTOS
Sektor4 Adi Aicher
Bodo Rüedi - Fotografie
vp Alessandra Syz
vp Christian Vogt
vp Marc Uebersax

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